(Es gilt das gesprochene Wort)
Exzellenzen
Meine Damen und Herren
2020 war ein Jahr zum Vergessen – und ein Jahr, das wir nie vergessen werden. Wir alle haben in den vergangenen Monaten viel gelernt: über uns selber, die Menschen in unserem Umfeld, unsere Länder und die Welt, die wir teilen. Die Pandemie hat unsägliches Leid verursacht, zahlreiche Familien und Freundeskreise in Trauer gestürzt und das gesellschaftliche Leben durchgeschüttelt.
ð Heute verbindet die Menschheit wie lange nicht mehr ein gemeinsamer Schmerz und die gemeinsame Hoffnung auf ein neues Kapitel!
Als Staatsleute sind wir aufgefordert, inmitten der Trauer die nächsten Phasen des Umgangs mit der Krise anzugehen. So engagiert sich die Schweiz gemeinsam mit vielen andern Ländern unter anderem für eine gerechte Verteilung der Covid-19-Impfstoffe.
Damit ist es aber längst nicht getan.
Wenn die Krankheit seltener geworden ist – hoffentlich bald –, bleibt die Riesenaufgabe, die Weltwirtschaft und das gesellschaftliche Leben wieder in Schwung zu setzen. Es drängt sich auf, dies auf eine Weise zu tun, dass wir nicht gleich die nächste globale Krise heraufbeschwören oder die Klimakrise ignorieren.
Die Schweiz möchte beitragen zu einem nachhaltigen und integrativen Wiederaufschwung. Es geht darum, heute die Weichen für die Zukunft zu stellen und zum Beispiel den Ausstieg aus fossilen Energien vorzubereiten, wie dies der Bundesrat im August 2019 beschlossen hat. Ihr Engagement für die Weltgemeinschaft und den Multilateralismus hat die Schweiz zuletzt mit namhaften Kandidaturen in internationalen Organisationen bekräftigt.
Exzellenzen
Innenpolitisch ist in der Schweiz in den vergangenen Monaten viel über Föderalismus und Eigenverantwortung diskutiert worden. Die Umsetzung dieser Werte, die wir hoch halten, wurde in der Krise teilweise kritisch betrachtet. Es kamen Rufe nach top-down-Lösungen, wie sie für unser Land untypisch sind.
Es ist klar: Die Wissenschaft wird noch jahrzehntelang vergleichen können, was gut lief und was nicht. Ich bin aber überzeugt, dass die Schweiz gut beraten ist, für den Wiederaufschwung auf ihre bewährten Rezepte zu setzen. Dazu zählen Föderalismus, Subsidiarität, Eigenverantwortung und unternehmerische Freiheit.
Die Suche nach den Impfstoffen hat weltweit gezeigt, welche Kraft das Zusammenspiel aus staatlichem Handeln, Unternehmertum und Wissenschaft entwickeln kann. Ein erfolgreiches Zusammenspiel brauchen wir auch bei der Bewältigung anderer dringlicher Herausforderungen, insbesondere mit Blick auf die Klimakrise.
Zwei Voraussetzungen sind meines Erachtens unabdingbar für alle Staaten, um in ruhigeres Fahrwassen zu kommen:
Ø Wir müssen Fake News zurückweisen, Verschwörungstheorien wegklicken und Fanatismus jeglicher Couleur bekämpfen.
Ø Und wir brauchen eine stabile Rechtsordnung.
Zum ersten Punkt: Ich bin der Ansicht, dass wir unbedingt wieder eine Diskussionskultur haben müssen, die auf Fakten basiert. Unterschiedliche Ansichten sollten im demokratischen Rahmen ausdiskutiert werden. Wer Verschwörungstheorien und sonstige Fake News verbreitet, untergräbt die Demokratie. Dies gilt auch für alle, die Debatten grundsätzlich ablehnen: die Anhängerinnen und Anhänger des Terrorismus, Fanatiker, all jene, die Gewalt befürworten und dabei glauben, dass die Geschichte auf ihrer Seite ist.
Zum zweiten Punkt: Dieser ist mindestens genauso wichtig, denn er definiert die Regeln unseres Zusammenlebens. Eine stabile Rechtsordnung ist das Resultat der Diskussionen, die wir führen, und gibt uns allen die Sicherheit, dass der Rahmen, den wir uns heute geben, auch morgen noch gilt. Es ist dieser Kitt, der es uns ermöglicht, zusammen die Gesellschaft von morgen zu gestalten.
Exzellenzen
Max Frisch hat gesagt: «Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.» Das ist die Zielvorgabe für 2021.
Ihnen und den Staaten, die Sie vertreten, darf ich die besten Wünsche des Bundesrates und der Schweizer Bevölkerung, wie auch meine persönlichen Wünsche für Frieden, Sicherheit und Wohlergehen überbringen.